"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

Carl Theodor Körner

Wie kam es zum Ersten Weltkrieg?

Vorgeschichte

Am 18. Januar 1871 wurde nach einem von Frankreich erklärten Krieg an Preußen, in dem sich alle deutschen Staaten zusammen mit Preußen gegen Frankreich verbündeten, das Deutsche Reich als föderativer Staatenbund mit weitgehender Souveränität der Einzelstaaten gegründet. Damit entstand ein Wirtschaftsraum von enormer Dynamik.

Für den ersten Kanzler, Otto von Bismarck, war Deutschland mit der nationalen Einheit saturiert, d.h. politisch befriedigt, denn Bestand und Vormacht Preußens in Deutschland war gesichert. Seine damals weltweit einmaligen Sozial- und Arbeiterschutzgesetze schufen Wohlstand und Stabilität für die Menschen, ohne die Prosperität der Wirtschaft einzuschränken. Die von Großbritannien 1887 eingeführte Brandmarkung deutscher Waren mit dem Verbraucherwarnhinweis „made in germany“, um sie damit beim Import nach England zu benachteiligen, wurde bald zum weltweiten Gütesiegel für die hohe Qualität deutscher Produkte. Damit störte vor allem das Wachstum von Wirtschaft, Welthandel und Wohlstand Deutschlands das Gleichgewicht der Mächte in Europa, wie es von Großbritannien - der damaligen Weltmacht Nr.1 - definiert wurde.

"Die einzige Möglichkeit, die deutsch-englischen Beziehungen zu verbessern, wäre, unsere wirtschaftliche Entwicklung zurückzuschrauben. Und dies ist nicht möglich." Otto von Bismarck, 1897

Bismarcks außenpolitisches Streben bestand darin, Frieden in Europa zu erhalten und eine Einkreisung Deutschlands durch Bündnisse der europäischen Großmächte England, Frankreich und Russland zu verhindern. Deshalb suchte er neben der Partnerschaft mit Österreich immer eine enge Bindung an Russland, das seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon I. 1813 ein Verbündeter Preußens war. Diese Politik wurde von Kaiser Wilhelm II. nach der Entlassung Bismarcks 1890 nicht fortgesetzt. Wilhelm II. gab die Saturiertheit Deutschlands auf, strebte nach Kolonien und dem Ausbau der Handels- und Kriegsflotte entsprechend dem deutschen Wirtschaftspotenzial. Mit der Bagdadbahn und Ölförderrechten in Mossul durch die türkisch-osmanische Regierung drohte Deutschland zur vorherrschenden Wirtschaftsmacht in Europa zu werden, nachdem es im Weltmarktanteil seine Konkurrenten schon abgehängt hatte. Die Kündigung des Rückversicherungsvertrags mit Russland nötigte dieses zur Militärkonvention mit Frankreich 1892 und zur französische-russischen Allianz von 1894. Damit war der Alptraum Bismarcks Wirklichkeit geworden.

Artikel II der französisch-russischen Militärkonvention vom 17. August 1892 lautet: „Im Falle der Mobilisation der Streitkräfte des Dreibundes oder einer der ihm angehörigen Mächte werden Frankreich und Rußland, bei der ersten Nachricht von diesem Ereignis und ohne vorhergehende Vereinbarung, unverzüglich und gleichzeitig ihre gesamten Streitkräfte mobilisieren und sie in möglichster Nähe ihrer Grenzen konzentrieren.“ Zum Dreibund gehörten Deutschland, Österreich und Italien und er war ein defensives Bündins.

1904 kam es zur Entente Cordiale zwischen England und Frankreich, die 1907 durch den Beitritt Russlands zur Triple Entente wurde.

1911 sagte der englische Generalstabschef seinem französischen Kollegen in einer französisch-britischen Militärkonvention sechs Heeresdivisionen für den Fall eines Krieges mit Deutschland zu.

1912 wurde die Militärkonvention zwischen Russland und Frankreich von 1892 durch eine russisch-französische Marinekonvention ergänzt, die das gemeinsame Vorgehen beider Flotten vorsah.

Seit Juni 1914 fanden geheime, aber der deutschen Regierung bekannte gewordene Verhandlungen über eine englisch-russische Militärkonvention statt, die in Deutschland alarmierend wirkten.

Julikrise

Österreich-Ungarn war ein Vielvölkerstaat, in dem fast alle der verschiedenen Völkerschaften nach nationaler Eigenständigkeit strebten. Im Oktober 1908 annektierte Österreich Bosnien und die Herzegowina, die bis dahin unter österreichischer Verwaltung standen, aber zum osmanischen Reich gehörten.

Am 28.Juni 1914 erschoß der serbische Student Gavrilo Princip in der bosnischen Hauptstadt Sarajewo den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau, die in offenem Auto durch die Straßen fuhren.

Am 6.Juli sicherte Deutschland per Telegramm Österreich-Ungarn seine Bündnistreue zu, was allgemein als Blankovollmacht zum kriegerischen Vorgehen angesehen wird. Im Telegramm heißt es: „…Kaiser Franz Joseph könne sich aber darauf verlassen, daß seine Majestät [Kaiser Wilhelm II.], im Einklang mit seinen Bündnispflichten und seiner alten Freundschaft, treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen werde…“ Sanktionen gegen Serbien galten als selbstverständig und gerechtfertigt; von deutscher Seite jedoch war ein über den lokalen Konflikt zwischen Österreich und Serbien hinausgehender Krieg weder gewünscht, noch als wahrscheinlich angesehen. Die Beteiligung eigener Truppen war in keiner Weise geplant und deshalb fuhren der Kaiser, der Generalstabchef, der Reichskanzler, der Chef des Auswärtigen Amtes und der Chef der Marineleitung ohne irgendwelche Befehle für Heer oder Marine auszugeben in ihren Sommerurlaub.

Vom 20. bis 23.Juli bekräftigten der französische Präsident Poincaré und sein Ministerpräsident Viviani der russischen Regierung bei ihrem Besuch in St. Petersburg den Pakt gegen Deutschland von 1894. Ein Akt, der ebenso gut als Blankovollmacht angesehen werden kann, denn obwohl auch bei der Annexion Bosniens durch Österreich 1908 Russland und Serbien protestierten und Serbien sogar die Mobilmachung seiner Armee durchführte, kam es durch die bündnistreue Haltung Deutschlands zu Österreich und der Absage Frankreichs, Russland beizustehen, nicht zu einem Krieg, weil Russland einlenken und Serbien zur Demobilisierung bewegen mußte. Mit der erneut bekräftigten Allianz mit Frankreich und den Verhandlungen zur Militärkonvention mit England nimmt Russland Serbien gegenüber keine deeskalierende Haltung wie 1908 ein.

Am 23.Juli stellte Österreich-Ungarn Serbien ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum u.a. „einzuwilligen, daß in Serbien Organe der k. und k. Regierung bei der Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie gerichteten subversiven Bewegung mitwirken“. Genau einen Tag später, am 24.Juli teilte der russische Außenminister Serbien mit, dass Russland auf keinen Fall aggressive Handlungen Österreich-Ungarns gegen Serbien zulassen werde, daß Serbien also mit voller militärischer Unterstützung rechnen darf.

Es wird immer behauptet, daß Serbien das Ultimatum weitgehend angenommen und Österreich trotzdem den Krieg erklärt hat. Das ist jedoch nicht richtig: Serbien war 1914 ausdrücklich nicht zur Beteiligung österreichischer Beamter an den Ermittlungen nach den Hintermännern der Attentäter bereit. Des russischen Beistands sicher lehnte es gerade die Kernforderungen des Ultimatums ab, weil der Chef des serbischen Geheimdiensts und andere Offiziere und Beamte Serbiens an der Verschwörung aktiv beteiligt waren. Serbien befahl stattdessen schon vor Übergabe seiner Antwort die Mobilmachung der Armee. Österreich ordnete daraufhin seine Teilmobilmachung gegen Serbien an.

Am 25.Juli erklärte der russische Außenminister Sasonow dem englischen Botschafter: "Wenn Russland der Hilfe Frankreichs sicher ist, wird es alle Risiken des Krieges auf sich nehmen". Am 26.Juli drohte Deutschland deshalb Russland mit Mobilmachung, falls Russland vorbereitende militärische Maßnahmen ergreife.

In Kenntnis der serbischen Antwort auf das Ultimatum vertrat Wilhelm II. am 28.Juli die Auffassung, daß nunmehr nach Erfüllung aller wesentlichen Punkte des Ultimatums kein Kriegsgrund mehr vorläge und die wenigen noch offenen Punkte in Verhandlungen geklärt werden sollten. Dazu solle serbisches Territorium als Faustpfand militärisch besetzt werden, bis Serbien alle Bedingungen des Ultimatums erfüllt habe. Am selben Tag erklärte Österreich Serbien den Krieg, der bis dahin immernoch ein lokaler Konflikt hätte bleiben können. Russland mobilisierte verdeckt ab dem 25.Juli; am 29.Juli waren bereits 13 Armeekorps an den Grenzen zu Österreich-Ungarn aufmarschiert, nachdem Frankreich ebenso wenig mäßigend auf Russland eingewirkt hatte wie dieses auf Serbien. Am 31.Juli sicherte Englands Außenminister Frankreich Waffenhilfe für den Fall der französischen Kriegsteilnahme zu, während bereits am 28.Juli die zu Manöverzwecken mobilisierte englische Nordseeflotte nicht wieder demobilisiert und damit sofort zum Kriegseinsatz bereit gehalten wurde. Der Anfrage aus Berlin, ob England Neutralität gegenüber Deutschland wahren würde, wenn Deutschland auf den Durchmarsch durch Belgien verzichte, beantwortet der englischen Außenminister, Sir Edward Grey, so, daß selbst wenn Deutschland die belgische Neutralität achte, sich England dennoch nicht zur Neutralität verpflichten, nicht einmal die Bedingungen angeben könne, unter denen es zur Neutralität bereit wäre.

Kaiser Wilhelm II. und der Reichskanzler, Bethmann Hollweg, drängten Österreich am 30.Juli nachdrücklich zu direkten Verhandlungen mit Russland. Den Zaren bat Wilhelm II., die russische Teilmobilmachung zurück zu nehmen. Russland kam der Bitte nicht nach und ordnete die Generalmobilmachung, d.h. den Aufmarsch der russischen Armee an der Grenze zu Deutschland an, dem folgte die österreichische Gesamtmobilmachung.

Am 31.Juli fragte der deutsche Botschafter in Paris, wie sich Frankreich in einer russisch-deutschen Auseinandersetzung verhalten werde und erhielt die nichts- oder alles sagende Antwort; „man werde den französischen Interessen entsprechend handeln“. Gleichzeitig am 31.Juli wurde in St. Petersburg das deutsche Ultimatum mit der Forderung übergeben, die russische Mobilmachung binnen 12 Stunden rückgängig zu machen, andernfalls sei der Kriegszustand unvermeidlich. Die Rücknahme des Mobilisierungsbefehls durch den Zaren wurde aber von dessen Kriegsminister und Generalstabschef nicht ausgeführt. Noch in der Nacht wurde der Mobilmachungsbefehlt amtlich veröffentlicht und dem Zaren am nächsten Tag „eine andere Überzeugung beigebracht“. Die russische Friedenspartei, u.a. der Zar, haben nicht verstanden, daß der Aufmarsch der russischen Armee an der deutschen Grenze (Polen gab es damals als Staat nicht) einen unmittelbaren Handlungsdruck auf Deutschland, insbesondere sein Militär, ausüben mußte, aber eine Mobilmachung ist ein Fakten schaffender, militärischer Akt und keine bloße Verbalnote. Deutschland mußte militärisch darauf reagieren, um strategische Nachteile zu vermeiden. Aber durch die Unfähigkeit des Zaren, sich gegen die russische Kriegspartei, vertreten durch seinen Kriegsminister und Generalstabschef, durchzusetzen und seinen Mobilisierungsbefehl rückgängig zu machen bzw. erst gar nicht ausführen zu lassen, blieb der deutschen Regierung keine andere Reaktion übrig und die Militärs übernahmen auch in Deutschland zunehmend die Regie.

Trotzdem erfolgte die deutsche Mobilmachung erst am folgenden Tag, dem 1. August um 17:30 Uhr, nachdem Frankreich bereits um 15:40 Uhr seine Armee aufmarschieren ließ. Um 19:00 Uhr erging die deutsche Kriegserklärung an Russland. Am selben Abend kurz nach Überreichung der deutschen Kriegserklärung in St. Petersburg fielen russische Kavallerieverbände in Ostpreußen ein. Ihren Angriffsbefehl müssen sie den damaligen Zeiten für Nachrichtenübermittlung entsprechend schon vor der Kriegserklärung erhalten haben.

Dem deutschen Einmarsch ins neutrale Luxemburg am 2. August folgte am 3. August die Kriegserklärung an Frankreich und der Angriff über Belgien; dem Ultimatum Englands, Belgien unverzüglich zu räumen, folgte am 4. August die englische Kriegserklärung und am 11. und 12. August die Kriegserklärungen Frankreichs und Englands an Österreich-Ungarn.

Kriegsende

Nachdem das Deutsche Reich auch nach drei Kriegsjahren nicht geschlagen war und keine Aussicht darauf bestand, es militärisch zu besiegen oder wirtschaftlich aushungern zu lassen, nachdem vom ersten Tag des Kriegs an eine völkerrechtswidrige Blockade durch die englische Flotte durchgeführt wurde, und nachdem durch die Revolution in Russland dasselbe aus dem Krieg ausschied, drohte den US amerikanischen Banken, die Frankreich und vor allem England mit maßlosen Kriegskrediten unterstützen, der Verlust ihrer Investition im Fall, daß die Entente den Krieg nicht gewinnen würde. Um das und eine folgende Wirtschaftskrise in den USA in jedem Fall zu vermeiden, mußten sie eine Kriegsbeteiligung der USA herbeiführen.

    

Deutschland hat den Krieg weder gewollt, noch gebraucht. Seine wirtschaftliche Entwicklung prosperierte in der langen Friedenszeit seit der Reichsgründung. Außenhandel, wertvolle Wirtsschafts- und Handelsverträge, innerer Wohlstand für immer breitere Bevölkerungsschichten gediehen im Frieden und waren keinesfalls in einer Krise oder Rezession im Gegensatz zur britischen Wirtschaft. Dem Deutschen Reich und der deutschen Wirtschaft wäre es bis zum heutigen Tag besser ergangen, hätte man den Krieg vermeiden können. Dennoch hat die deutsche Regierung und Heeresleitung schwerwiegende Fehler im Laufe des Krieges gemacht und damit den Ausgang mitverschuldet. Die Anerkennung eines polnischen Staats 1916 riß alle diplomatischen Brücken ab, die es nach Russland gegeben hätte. Dabei hätte man den Zaren unter Verweis darauf, daß er die Revolution vor der Tür hat, spätestens Ende 1916 und mit dem Angebot, auf den Status vor dem Krieg zurück zu gehen, sicherlich zum Frieden und Ausscheiden aus dem Krieg bringen können. Schließlich entsprach das ja den Tatsachen und die Revolution kam auch im Frühjahr 1917. Welches größere Interesse hätte es für den Zaren geben können, seinen Posten und später auch sein Leben zu erhalten?

Stattdessen wurde durch den deutschen Geheimdienst eine False-Flag-Operation durchgeführt, indem man durch Lenin in Petersburg eine bolschewistische Revolution organisieren half (so wie das heute George Soros macht), die 1918 nach Deutschland zurück kam und damit dem Kaiser sein verdientes Schicksal brachte. Anstatt dem Verwandten in Russland nur mit der Revolution zu drohen und ihm unter dem Angebot, Lenin niemals nach Russland zu lassen zum Verhandeln zu bringen, hat man keine diplomatische Lösung versucht. Aber das sind die Folgen davon, wenn es entweder gar keine Diplomatie mehr gibt oder die Regierung so schwach ist, daß die Heeresleitung das Regiment übernimmt. Dann gibt es am Ende auch keine diplomatische Lösung mehr, die Menschen aber müssen die Konsequenzen tragen, nachdem die Generale ihren Abschied genommen haben. Die hohe Verschuldung Englands und Frankreich bei angloamerikanischen Banken machte einen gerechten Frieden unmöglich. Die Staaten mußten sich sanieren und am Kriegsgegner schadlos halten.



AP, 3.2.2014