"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

Carl Theodor Körner

Vom Klimaleugner zum Coronaleugner. Was bedeutet der Begriff Leugner heute?

Der Begriff "Leugner" hat in keiner modernen Wissenschaft etwas zu suchen. Wo es Leugner gibt, gibts auf der anderen Seite ein Dogma. In der Wissenschaft aber gibt es nur Befürworter und Vertreter einer Auffassung und Skeptiker bzw. Leute, die eine gegenteilige Auffassung haben. Der Kampfbegriff dient einzig und allein der Diffamierung, um den Leuten zu unterstellen, sie wüßten eigentlich die Wahrheit, aber bestritten sie bewußt. Im Leugnen ist immer ein vorsätzliches Lügen drin.

Leugnen heißt, eine als allgemein anerkannte Lehre oder Auffassung, etwas Offenkundiges, und zwar wider besseres Wissen, für unwahr oder nicht vorhanden zu erklären. Damit ist nie eine objektive und beweisbare Wahrheit, sondern eine als allgemein anerkannte oder als solche geforderte Auffassung und Überzeugung, also die öffentliche Meinung gemeint. Leugnen heißt immer bestreiten und abstreiten und ist insofern selbst eine Behauptung. Ein Atheist bestreitet die Existenz Gottes und behauptet damit, daß es keinen Gott gibt, ein Agnostizist bezweifelt sie und nimmt gar keinen behauptenden Standpunkt ein. Bezweifeln ist etwas anderes als leugnen und gehört ausdrücklich zu einer wissenschaftlichen Haltung. Wir haben aber gerade keine wissenschaftliche Haltung, sondern einen Kampf um die Deutungshoheit. Wer "leugnen" benutzt, setzt sich selbst damit ins Recht und den als Leugner Bezeichneten ins Unrecht.

Mit dem Leugner ists dabei genauso wie mit dem Verschwörungstheoretiker. Die ursprünglichen Versionen waren ja wenigstens in sich stimmig. Die offizielle Geschichte zum Kennedyattentat behauptete einen Einzeltäter. Wer mehrere Täter vermutete, stellte damit eine Theorie über eine Verschwörung auf, d.h. kein einzelner Täter, sondern mehr als zwei verabreden sich im Geheimen. Da paßte der von der CIA als Kampfbegriff geschaffene Verschwörungstheoretiker wenigstens formal. Seine Wiederauferstehung erfolgte im Jahr 2001 für alle, die die offizielle Geschichte zu den Anschlägen vom 11. September bezweifelten. Dabei behauptet auch die keinen Einzeltäter, sondern Osama und seine 19 Räuber und ist damit selber eine Theorie über eine Verschwörung, zudem eine bis heute unbewiesene. So ists auch mit dem Leugner, der beruhend auf dem Holocaustleugner, sein comming back mit dem Klimaleugner erlebte, obwohl er hier inhaltlich schon gar nicht mehr paßt, denn kein Mensch leugnet das Klima oder seinen Wandel. Welche absurden Blüten das treibt, zeigt die Meldung, daß Donald Trump angesichts der Waldbrände in Kalifornien wieder mal den Klimawandel geleugnet hat. Er hat erklärt, daß es bald wieder kälter werden wird. Einer, der den Wandel leugnet, behauptet also, daß sich die Dinge ändern werden. Man versucht in beiden Fällen, beim Leugner und Verschwörungstheoretiker die Plausibilität und Schlagkraft des ursprünglichen Kampfbegriffs auf neue Fälle zu übertragen und merkt dabei nicht, wie sich nicht nur die Waffe immer mehr abnutzt, sondern auch, was für einen widersprüchlichen Quatsch gebildete Menschen schreiben oder sich erzählen lassen.

Die Begriffe sind völlig abgekoppelt von ihrer eigentlichen Bedeutung. Es geht dabei gar nicht um irgendwelche Informationen, sondern einzig und allein darum, eine Bewertung zu transportieren und dem Leser bzw. Zuschauer durch ständige Wiederholung ins Bewußtsein zu schieben. Sowas nennt man Propaganda oder wissenschaftlicher ausgedrückt Manipulation. Das war beim Klimaleugner so und ist noch deutlicher beim Coronaleugner. Die so Bezeichneten bestreiten gar nicht die Existenz des Sars Cov 2 Virus. Sie stellen vor allem die Verhältnismäßigkeit der staatlichen Maßnahmen in der Beschränkung und Aussetzung der Grundrechte für alle Bürger in bezug auf die individuelle und gesamtgesellschaftliche Gefahr des Virus infrage. Und sie argumentieren mit echten wissenschaftlichen Fakten und Daten, weshalb ihnen ja auch nicht auf dieser Ebene, sondern nur mit Kampfbegriffen begegnet werden kann. Deshalb muß man sich mit Kampfbegriffen inhaltlich gar nicht auseinandersetzen, sondern zeigen, daß es Kampfbegriffe sind, in denen es nicht um die Sache, mithin gar nicht um eine objektive und beweisbare Wahrheit geht.

Wer in unserer modernen, vom wissenschaftlichen Plausibilitätsmuster geprägten Zeit solche mittelalterlichen Begriffe überhaupt gebraucht, der verfolgt nur ein Ziel: bestimmte Menschen im allgemeinen Ansehen, in der öffentlichen Meinung zu diffamieren und diskreditieren, sie als Tabu fürs Denken der Menschen aufzurichten, damit sie sich bloß nicht mit deren Thesen beschäftigen. Der Adressat dieser Kampfbegriffe, das kollektive Bewußtsein, wird dabei aber nicht aufgeklärt oder informiert, sondern gezielt manipuliert.



AP, 15.9.2020