"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

Carl Theodor Körner

Die Exitoption für den Rundfunkbeitrag

Wie eine Gesellschaft organisiert ist, hängt davon ab, welche Werte sie verwirklichen will. In der Hierarchie unserer Werte stehen die Menschen- und Grundrechte an oberster Stelle. Danach kommt der Wert, den es hat, Dienst an der Allgemeinheit zu leisten, solidarisch zu sein, auf vielleicht derselben Stufe steht das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Zum Dienst an der Allgemeinheit gehört es, Steuern zu zahlen. Ob man Einkommenssteuern zahlen muß, hängt aber davon ab, wie hoch das Einkommen ist und das wiederum liegt in der freien Entscheidung jedes einzelnen. Man kann ja die Höhe des Einkommens unter der Einkommenssteuergrenze halten, man kann alle Gegenstände gebraucht kaufen, man muß kein KFZ besitzen und hat damit für verschiedene Steuern Exitoptionen, die vom freien Willen abhängen. Zum Dienst an der Allgemeinheit gehörte einst auch der Wehrdienst, der für den Soldaten mit weitreichenden Einschränkungen seiner persönlichen Freiheiten verbunden war und damit Art.2 GG teilweise aussetzte. Dieser Eingriff in die Grundrechte kann nur dann mit dem GG konform sein, wenn man ihm irgendwie freiwillig zustimmt und er nicht durch Strafverfolgung und Gefängnis erzwungen wird. Sowas ist aus Staaten bekannt, die den Wert des Dienstes an der Allgemeinheit über den der individuellen Freiheit stellen, z.B. in einem kollektivistischen Staat wie dem Dritten Reich mit dem Motto „die Gemeinschaft ist alles, du bist nichts“. Sollen die Menschen- und Grundrecht an oberster Stelle stehen, kann die Wehrpflicht nur dann mit dem GG konform sein, wenn es durch die Exitoption des Ersatzdienstes ein Stück Freiwilligkeit und die Gewährleistung der Gewissensfreiheit gibt. Der Dienst an der Allgemeinheit durch die Ausbildung zur Landesverteidigung ist aber ein viel höherer Wert als die Maximierung der Einnahmen für die Unterhaltungs- und Informationsmedien eines ÖRRs. Wieso sollte dieser also GG konform sein, ohne daß es für ihn ebenfalls eine Exitoption und damit die Gewährleistung der Gewissensfreiheit und Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung gibt? Eine Gesellschaftsordnung, die aber als ihre primären und höchsten Werte, nach denen sie sich organisiert und benennt, freiheitlich und demokratisch sein will, muß den Wert der individuellen Freiheit weit über den der Maximierung der Einnahmen für einen ÖRR stellen.

Außerdem verstößt die Härte, die einen trifft, der diesen Rundfunkbeitrag aus Gewissensnot verweigert, eklatant gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Kontopfändung und Gefängnis zur Erzwingung der Vermögensauskunft stehen einfach in keinem Verhältnis zum Streitwert von wenigen hundert Euro und zum Zweck eines ÖRR überhaupt. Ebenso unverhältnismäßig ist es, seine Wohnung abschaffen und obdachlos werden oder Hartz4 beantragen zu müssen, um vom Rundfunkbeitrag befreit zu werden. In allen Fällen ist der Zwang weder mit dem freiheitlichen Gedanken noch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Das war so bei der Wehrpflicht, das ist so bei einer Dienstverpflichtung nach Art.12 GG und erst recht muß es beim Medienkonsum des ÖRR so sein. Dieser ist einerseits vielleicht eine Art Solidarleistung wie der Wehrdienst, aber als Medienkonsum, als Verbreitung von Informationen, Unterhaltungen, Meinungen und politischen Überzeugungen muß für ihn gelten, was für die Religionsfreiheit gilt. Jeder muß nicht nur die Freiheit haben, die Medien, über die er sich informieren und unterhalten lassen will, frei aus den Angeboten, die ja heute zahlreich bestehen, zu wählen, sondern auch die Freiheit, gar keine zu konsumieren.

Es muß also eine Exitoption geschaffen werden, die es ja bis 2013 noch gab und die auch heute noch geltendes Recht in England ist, denn dort muß für die BBC niemand zahlen, der nur Internet hat. Und es ist völlig abwegig zu denken, daß mit einer Exitoption dem Schwarzsehen Tür und Tor geöffnet werden würde. Das hängt allein von ihrer praktischen Gestaltung und den Bedingungen ab, die dafür erfüllt werden müssen. Es muß ja nicht genauso sein wie bis 2013, wo jeder seine Geräte einfach nur ab- oder gar nicht erst anmelden mußte, das aber keiner kontrollieren konnte, weil die GEZ Kontorolleure kein Recht hatten, die Wohnung zu betreten.

Hier mal ein Vorschlag, wie die Exitoption gestaltet werden könnte: Zunächst muß die ungerechtfertigte Deklaration des Internets als Rundfunkempfangsgerät abgeschafft werden, denn das Internet ist kein Rundfunkempfangsgerät. Es wurde erfunden als Kommunikationsmedium zum Austausch digitaler Daten in Bits and Bytes und läuft über den Telefonanschluß, nicht über die Antennenbuchse für Rundfunkempfang. Daß im Zuge des technischen Fortschritts die Datenmengen immer größer wurden, die Übertragungsgeschwindigkeiten immer höher, so daß bald Fotos, Tondateien und bewegte Bilder und heute sogar Livestreams versendet werden können, macht das Internet nicht zum Rundfunkempfangsgerät. Es bleibt ein Kommunikationsmedium, weshalb es bei der BBC in England auch so behandelt wird. Wer nur Internet hat, ist nicht notwendig Konsument des ÖRRs. Jeder, der aber im Internet mit seinen Medienprodukten Geld verdienen will, muß den Zugang dazu als Abonnement einrichten. Niemand kann seine Produkte frei ins Netz stellen und einfach allen Haushalten dafür ne Rechnung schicken, weil sie sie ja potenziell anschauen könnten.

Dann kann ein Antrag auf Befreiung gestellt werden oder, weil die Rundfunkanstalten Unternehmen und keine Behörden sind, bei denen man Anträge stellt und die Bescheide ausstellen, wird einfach erklärt, daß man keine Rundfunkempfangsgeräte besitzt und betreibt. Die Gründe dafür sind dann eigentlich egal, entscheidend ist, daß wie bis 2013 keine Rundfunkempfangsgeräte vorhanden sind. Für die Befreiung von der Zahlungspflicht wird aber die Bedingung gestellt, daß der Antragsteller seine Erklärung beweisen muß. Praktisch kann das realisiert werden, indem mit dem Antrag darum gebeten wird, daß ein Kontrolleur des Beitragsservice das bestätigt. Dazu wird ein Zeitraum von drei Monaten vereinbart, in denen der Kontrolleur spontan und unangekündigt und auch mehrmals die Wohnung betreten darf. Die früheren Probleme mit dem Betreten der Wohnung durch den Kontrolleur entfallen, denn diesmal erfolgt der Besuch auf Antrag desjenigen, der befreit werden will. Der Beweis ist erbracht, wenn es in der Wohnung keine Geräte gibt und auch keine eindeutigen Hinweise auf welche, wie z.B. ein zentraler Propagandaaltar mit Antennenkabel, DVD Player und alle möglichen Geräten, aber gerade ohne Fernseher. Wenns andere vielleicht auch technische Möglichkeiten der Beweisführung gibt, kann man ja auch diese benutzen. Wer den ÖRR schwarz nutzen will, ohne zu bezahlen, wird diesen Zustand nicht drei Monate lang herstellen wollen. Auf diese Bedingungen werden sich nur diejenigen einlassen, die tatsächlich keine Rundfunkempfangsgeräte besitzen.

Die Einnahmen gehen dann zwar zurück, so wie die Anzahl der Wehrdienstleistenden abnahm, nachdem die Exitoption des Ersatzdienstes eingeführt wurde, aber das ist nun mal das Opfer, das für die Durchsetzung der Werte des GG, der Menschen- und Grundrechte, der freiheitlichen Ordnung gebracht werden muß. Diese Ordnung ist für den Menschen da und nicht dieser für untergeordnete Zwecke der Regierenden oder irgendwelcher Medien. Die Aufrechterhaltung von Zwang und Gewalt gegen diejenigen, die einfach einen Medienbetrieb nicht finanzieren wollen, verstößt gegen die Garantien von Gewissensfreiheit und freier Entfaltung der Persönlichkeit und gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot.



AP, 10.8.2018