"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

Carl Theodor Körner

Links und Rechts mal klar definiert

Keine Spaltung durchzieht unsere Gesellschaft so stark wie die zwischen rechts und links. Ist die Unterscheidung dabei klar definiert und politisch notwendig oder handelt es sich um eine künstliche Spaltung nach dem Motto: wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte? Die Definition beider muß so klar und deutlich sein, daß alle politischen Bewegungen und Denkrichtungen seit der französischen Revolution der einen oder anderen Seite zugeordnet werden können auch solche Phänomene wie der Stalinismus und die 1919 gegründete Deutsche Arbeiterpartei, die sich später NSDAP nannte. Herkömmliche Definitionen genügen diesem Anspruch spätestens hier nicht mehr, z.B. die von Lipset, Lazarsfeld und Barton aus dem Jahr 1954: „Mit Links wollen wir ein Eintreten für einen sozialen Wandel in Richtung größerer Gleichheit – politisch, wirtschaftlich oder sozial – bezeichnen. Mit Rechts wollen wir die Unterstützung einer mehr oder weniger hierarchischen Gesellschaftsordnung und eine Gegnerschaft zu Veränderungen in Richtung Gleichheit bezeichnen.“* In diesem Verständnis sind NSDAP und Stalinismus sowohl links als auch rechts, denn beide strebten sowohl nach mehr vor allem sozialer und ökonomischer Gleichheit als auch nach einer hierarchischen Ordnung.

Um Links und Rechts voneinander zu unterscheiden, gibt es zwei Wege. Formal ist Links immer die prinzipielle Opposition gegen Herrschaftsstrukturen, Rechts das Eintreten für den Aufbau und Erhalt derselben. Weil sich diese Strukturen im Laufe der Zeit seit der Aufklärung verändert haben, die einstige Opposition bald neue Herrschaftsstrukturen etablierte, gibt es historisch verschiedene Formen politisch linker Bewegungen vom Bürgertum zur Zeit der französischen Revolution über die Arbeiterklasse des Marxismus bis hin zur 68er-Bewegung. Der beste Prüfstein aber für die Identifikation linken Denkens überhaupt ist die Frage nach der Gleichwertigkeit aller Menschen. Links ist die Überzeugung, daß jeder Mensch Adressat moralischen Verhaltens durch alle anderen ist, daß alle Menschen in moralischer Hinsicht gleich und das heißt gleichwertig sind unabhängig von sämtlichen persönlichen Eigenschaften, die sie haben. Die Forderung nach Anerkennung einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen ist der universelle Humanismus der Aufklärung. Ein weiterer Prüfstein ist die Frage nach den angestrebten politischen Verhältnissen und der Mitbestimmung jedes einzelnen in seiner Gesellschaftsordnung, maximale politischer Freiheit und Mündigkeit zu haben, im Idealfall sich nur den Gesetzen zu unterwerfen, die er selber gegeben hat.

Prinzipielle Gleichwertigkeit oder moralische Gleichheit aller Menschen oder Adressat moralischen Verhaltens sein bedeutet die grundsätzliche Anwendung des Sittengesetztes in Form des kategorischen Imperativs auf jeden Menschen. Darauf beruht die allgemeine Menschenwürde und daraus leiten sich gesellschaftliche Normen, juristische Regeln und politische Gesetze ab, die alle dem Prinzip der Moral genügen müssen: „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ Damit ist gemeint, jedem anderen die maximale individuelle Freiheit in der Verwirklichung seiner Persönlichkeit zu lassen. Jeder kann tun und lassen, was er will, solange er einem andern nicht schadet. Es geht einfach um Rücksichtnahme darauf, daß der andere als lebendiges, empfindendes und intentionales Wesen seine eigenen Ziele und Bestrebungen hat, sich selbst verwirklicht und daß er dazu die maximal mögliche Freiheit haben soll. Diese findet ihre Grenzen allein an der Freiheit aller anderen, auf die das eigene Handeln Einfluß hat. (Diese Auffassung könnte sich auch auf nicht menschliche lebendige und empfindende Wesen erstrecken.) Weiter geht die Forderung des universellen Humanismus nach prinzipieller Gleichwertigkeit nicht: alle Menschen müssen moralisch, juristisch und durch die gesellschaftlichen Strukturen gleich behandelt werden. Diese Forderung ist keine Utopie, nicht nur eine regulative Idee, sondern sofort und immer für jedermann und jede Institution umsetzbar. Es ist aber keine Forderung nach oder Behauptung der substanziellen oder ökonomischen Gleichheit aller Menschen, denn die faktischen Differenzen werden ja gerade vorausgesetzt, nur soll der moralische Umgang der Menschen eben von diesen Eigenschaften unabhängig sein.

Gerechtigkeit dagegen bezieht sich gerade auf diese Eigenschaften, von denen die moralische Bewertung unabhängig sein soll wie ethnische Abstammung, Sprache, religiöse Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht und sexuelle Orientierung, gesellschaftliche Stellung und Vermögen sowie politische Überzeugung. Das sind angeborene, sozialisierte und frei gewählte Eigenschaften, die sich aus kulturellen und gesellschaftlichen Institutionen wie Familie, Sprache, Religion, Volk, Nation usw. ergeben. Diese begründen die Identität und persönliche Würde eines Menschen. Die undifferenzierte Verwendung des Begriffs Gleichheit birgt die Gefahr der Gleichmachung von identitätsstiftenden Unterschieden in sich. Gleichwertigkeit bezieht sich auf die moralische, juristische und politische Gleichbehandlung aller Menschen; Respekt und Achtung vor den individuellen Unterschieden und Verschiedenheiten, also vor der persönlichen Identität ist Gerechtigkeit. Der Unterscheidung zwischen Moral und Gerechtigkeit entspricht die zwischen allgemeiner und individueller Würde. Es gehört aber zur Würde eines jeden Menschen, moralisch UND gerecht behandelt zu werden, weil es praktisch gar nicht möglich ist, einen Menschen nur allgemein als Menschen und nicht zugleich individuell als konkrete Persönlichkeit zu behandeln. Jeden Menschen individuell so zu behandeln, wie es ihm und seiner Identität, z.B. als Mann, Frau oder Kind eines bestimmten Kulturkreises entspricht, ihm genau darin die freie Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit zu ermöglichen, ist gerecht. Identitätsstiftende Unterschiede zu Fiktionen und sozialen Konstruktionen zu erklären, diese mithin zu negieren und abzulehnen, ist nicht moralisch, sondern ungerecht.

Rechts ist demnach die Auffassung, daß Menschen in moralischer Hinsicht verschieden zu behandeln sind, sie entsprechend bestimmter Eigenschaften einen verschiedenen Anspruch auf die moralische Behandlungsweise durch andere haben, daß nicht jeder dieselbe Würde hat, daß es vielleicht eine allgemeine Menschenwürde gar nicht gibt, sondern jeder Mensch einen bestimmten Wert, jedenfalls einen gesellschaftlich festgelegten Stand hat, nach dem sich seine moralischen, rechtlichen und politischen Ansprüche richten dürfen. Daraus folgt, daß ein Gemeinwesen so organisiert wird, daß es eine vertikale Ordnung, eine Hierarchie gibt, in der die Höherwertigen die gesellschaftliche Ordnung bestimmen, in der die Menschen entsprechend ihrer verschiedenen Würde verschiedene Rechte und Partizipationsmöglichkeiten haben, es also Herrschende und Untertanen gibt.

Die klassisch linke Position ist der emanzipatorische Anspruch der Aufklärung, die feudalistische Herrschaftsordnung des Ancien Regimes, in der der Monarch mit dem Anspruch L´Etat cest moi die gesamte Gesellschaftsordnung bestimmte, durch eine bürgerliche Gesellschaft abzulösen, in der die Menschen auf Grundlage ihrer politischen Gleichwertigkeit in der Volonté Générale selbst zum gestaltenden Subjekt ihrer Gesellschaftsordnung werden. Die Sozialdemokratie im Bismarckreich trat neben sozialen Forderungen für die politische Gleichberechtigung des dritten Standes und für die Beteiligung der werktätigen Klasse an der Gestaltung der politischen und ökonomischen Strukturen ein. Es gibt eine Kontroverse darüber, ob die NSDAP eine rechte oder linke Partei war, weil sie sozialistisch war und für einen sozialen Wandel in Richtung größerer Gleichheit und für die Abschaffung sämtlicher Privilegien des Blut- und Geldadels eintrat. Aber nach den oben entwickelten Kriterien waren die Nazis ganz eindeutig rechts, weil sie explizit nicht auf dem Fundament der Werte der Aufklärung standen und nicht jeden Menschen als Adressaten moralischen Handelns ansahen, sondern eine vertikale Gesellschaftsordnung, eine klare Herrschaftsstruktur mit der Verschiedenwertigkeit der Menschen etablierten.

Man kann Links auch über die soziale Frage definieren und den Gedanken der Umverteilung und Solidarität, das Eintreten für einen kollektivistischen Wohlfahrtsstaat und Sozialismus als das primäre Kriterium für eine linke Gesinnung ansehen. Aber dann ist auch der nationale Sozialismus links und die NSDAP eine linke Partei. Dann spielen allgemeine Menschenwürde, individuelle Freiheit und politische Mündigkeit des einzelnen, mithin der emanzipatorische Anspruch der Aufklärung keine oder nur eine sekundäre Rolle. Spätestens seit Erfindung des nationalen Sozialismus ist das Streben danach, Ungleichheit abzuschaffen, Armut zu beheben, antikapitalistisch und solidarisch zu sein kein ausschließlich linkes Programm mehr. Wer aber einwendet, links sei gerade die Forderung nach internationaler, vielleicht sogar weltweiter Solidarität, wirft entweder mit leeren Parolen um sich oder hat das Wesen des Menschen nicht verstanden.

Der internationale Sozialismus ist eine Utopie. Eine Umverteilung in der Weise, daß jeder annähernd das Gleiche hat, ist praktisch unmöglich und schon innerhalb eines Staates nicht mehrheitsfähig und damit nicht demokratisch. Die Forderung ALLE Menschen müssen in solidarischer Hinsicht gleich behandelt werden, an Besitz, Eigentum, ökonomischen Werten dasselbe haben oder bekommen, widerspricht auch dem Prinzip der moralischen Gleichheit, denn für die Umverteilung müssen andern erstmal diese ökonomischen Werte genommen, sie mithin als Mittel zum Zweck behandelt werden. Solidarität als konstante Umverteilung von Gebenden zu Nehmenden gibt es nur in begrenzten Gemeinschaften, die sich dadurch auszeichnen, daß die Solidarität von ihren Mitgliedern als selbstverständlich empfunden wird, weil sie natürlich gewachsen ist. Freiheit ist was individualistisches, Solidarität was kollektivistisches, insofern sind beide Gegensätze. Zum Wesen echter Solidarität gehört aber Freiwilligkeit. Sie ist also die freiwillige Einschränkung der maximalen individuellen Freiheit zugunsten der Wohlfahrt einer Gemeinschaft, deren Mitgliedern gegenüber Wohlwollen und Verpflichtung authentisch empfunden wird. Der Mensch ist ein zoon politikon, er lebt nicht nur in Gemeinschaften, sondern er wird zum Menschen überhaupt und zu dem konkreten Menschen, der er ist, allein durch die Gemeinschaft, der er angehört. Die kleinste Gemeinschaft ist die Familie, die größte bisher funktionierende ist der moderne Nationalstaat, am Horizont taucht bereits die nächst größere auf, der Kulturkreis, aber dafür sind die Menschen noch nicht reif. Künstlich geschaffene Gemeinschaften wie die Sowjetunion oder die EU können eine Weile funktionieren, sind aber niemals demokratisch und bestehen nur durch positive und negative Sanktionen, Korruption und Zwang und durch die Manipulation mit produktiven Machtmechanismen als Diktatur des Proletariats oder der Konzerne. Das hat mit dem Prinzip der Moral, der Gleichwertigkeit aller Menschen und dem emanzipatorischen Anspruch der Aufklärung, alle Menschen zu mündigen und autonomen Bürgern zu machen, nichts zu tun. Was nicht demokratisch ist, kann nicht links sein. Wenn derjenige, der die „falsche“, von der Herrschaft nicht erwünschte Meinung hat, benachteiligt wird, gilt für diesen die prinzipielle Gleichwertigkeit aller Menschen eben nicht, seine allgemeine Menschenwürde wird nicht anerkannt. Wo das so ist, hat man im schlimmsten Fall eine Art Inquisition, aber keine Gesellschaft, die auf dem Fundament der Werte der Aufklärung steht und in der eine linke, emanzipatorische Gesinnung praktiziert wird.

Solidargemeinschaften sind natürlich gewachsen und zeichnen sich dadurch aus, daß die ihnen zugehörigen Menschen bestimmte Gemeinsamkeiten haben, die sie von den Menschen anderer Gemeinschaften unterscheiden. In Gemeinschaften bilden Menschen alle Eigenschaften aus, die ihre Identität begründen. Die Gemeinsamkeiten dieser identitätsstiftenden Eigenschaften nennt man kulturelle Identität. Kultur ist ein System von als selbstverständlich empfundenen Umgangsformen der Menschen miteinander. Solidarität ist ein natürlich und kulturell gewachsenes, wechselseitiges und freiwilliges Kooperationsverhalten mit den Mitliedern der eigenen Gemeinschaft, z.B. der Familie. Deshalb ist es nicht unmoralisch, Menschen einer bestimmten Gruppe in solidarischer, d.h. ökonomischer Hinsicht verschiedenen zu behandeln, während moralisch alle gleich behandelt werden müssen. Es ist nicht unmoralisch, die eigenen Kinder ökonomisch anders und besser zu behandeln, als fremde Kinder am anderen Ende der Welt; die Angehörigen des eigenen Volkes anders als fremde Völker. Die kleinste Gemeinschaft ist die Familie, dann kommen Sippe, Klan, Stamm, Sprach- und Religionsgemeinschaften und das Volk, das bereits verschiedene Religionen umfassen kann, und endlich die Nation, die sogar verschiedene sprach-, ethnische und Volkszugehörigkeiten überformt und unter sich vereint. Im Kulturkreis werden auch verschiedene Nationen zu einer noch größeren Gemeinschaft. Daß die Menschen verschiedener Gemeinschaften gegeneinander ausgespielt und aufgehetzt werden können, daß die menschliche Geschichte eine von Kriegen verschiedener Gemeinschaften gegeneinander ist, spricht nicht dagegen, sondern dafür, daß Menschen mit einer starken Identifikation ihren jeweiligen Gemeinschaften angehören. Sie sind ihnen natürlich, die Kultur ist Natur des Menschen. Die Weltgemeinschaft als Menschheitsfamilie ist einstweilen eine Utopie, die aufgrund der faktischen Unterschiede der bisher gewachsenen Solidargemeinschaften ohne Zwang und Gewalt, ohne künstliche Negation und Abschaffung von natürlichen Identitäten nicht umsetzbar ist. So ist es auch mit der One-World Vorstellung der NWO als Projekt der herrschenden Cliquen der Reichsten und Mächtigsten zur Kolonialisierung der gesamten Welt unter der manipulativen Ideologie der Globalisierung. Wenn zur Durchsetzung der materiellen Gleichheit Herrschaftsstrukturen etabliert werden müssen, dann ist diese Art von „Links“ nicht links, sondern rechts.

Die Begriffe rechts und links sind heute völlig durcheinander gekommen und verdreht. Die meisten bürgerlichen Parteien und Bewegungen sind klassisch links, weil sie auf dem Fundament der Werte der Aufklärung stehen, die allgemeine Menschenwürde und moralische Gleichwertigkeit der Menschen anerkennen, nach einer gesellschaftlichen Ordnung streben, die säkular und nicht ideologisch ist und die die individuelle Freiheit jedes Menschen durch das Recht und die Politik verwirklicht. Was heute alarmistisch und mit dem Zweck der Ausgrenzung als rechts oder rechtsextrem bezeichnet wird, ist meist im klassischen Sinn gar nicht rechts, sondern bloß konservativ oder libertär. Das aber sind keine politischen Haltungen, die prinzipiell die allgemeine Menschenwürde und moralische Gleichwertigkeit der Menschen ablehnen, wie z.B. die echten Nazis im Dritten Reich oder der Islam heute, sondern die in der Frage der Solidarität und Umverteilung ökonomischer Güter andere Schwerpunkte setzen als z.B. eine sozialistische Gesinnung, die heute als politisch korrekte und einzig erlaubte Haltung groteskerweise ausgerechnet von den neoliberalen Strippenziehern hinter Politik und Medien vorgeschrieben wird. Im libertären Denken wird nur die individuelle Freiheit desjenigen betont, der etwas von dem abgeben soll, was er besitzt oder erarbeitet hat. Das sozialistische Denken sieht vor allem die Interessen desjenigen, der bekommen soll, was er nicht erarbeitet hat und vielleicht auch nicht selber erarbeiten kann. Bei der Solidarität gehen die Ansprüche an Moral und Gerechtigkeit aber in beide Richtungen: Es geht also nicht nur darum, einseitig die Interessen desjenigen zu betrachten, der geben soll, oder desjenigen, der was bekommt, sondern beide Seiten müssen moralisch und gerecht behandelt werden. Was gerecht ist, hängt vom individuellen Charakter, vom kulturellen Kontext, der Mentalität und dem Volkscharakter ab. Im angloamerikanischen Denken gibt es nur die Freiheit des einzelnen, und zwar eigentlich die des Unternehmers. Im kontinentaleuropäischen und insbesondere deutschen Denken gibt es die Idee vom Allgemeinwohl, dem gegenüber verpflichtet das individuelle und besonders das unternehmerische Handeln ist. Dem korrelieren die verschiedenen Eigentumsbegriffe: Eigentum ist im angloamerikanischen Denken etwas absolut exklusives, von dem jeder andere auch mit äußersten Mitteln ausgeschlossen werden kann. Im deutschen Denken sind Eigentum und sein Gebrauch stets durch das Allgemeinwohl begrenzt, ist Macht immer mit Verantwortung für dieses und denjenigen, über den sie ausgeübt wird, verbunden. Der deutschen Mentalität entspricht ein Sozialstaat mit Chancengleichheit und der Beseitigung der Folgen von nicht selbst verschuldeten Benachteiligungen, der weder neoliberal, noch libertär, weder sozialistisch, noch kommunistisch ist.

Je größer in Intensität und Extensität die Forderung nach Solidarität, d.h. nach Umverteilung von immer mehr materiellen Gütern auf immer mehr Menschen ist, desto geringer wird die individuelle Freiheit, desto größer der Kollektivismus und die Einmischung des Staats in die Lebensführung des einzelnen. Wer Freiheit aufgibt, um soziale und ökonomische Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. Der Gegensatz zwischen Links und Rechts ist der zwischen Freiheit und Herrschaft; zwischen Umverteilung und Herrschaft muß es keinen Gegensatz geben. So kann eine kommunistische und kollektivistische Gesellschaft trotzdem rechts sein, weil sie ihre Bürger zwar in materieller Hinsicht gleich macht, sie aber nicht als politisch mündig und aktives Subjekt ihrer gesellschaftlichen Ordnung, sondern als Untertanen behandelt. Die Stalinisten, Maoisten, Nationalsozialisten usw. waren alle klassisch rechts, weil sie eine vertikal hierarchische Gesellschaft aufgebaut und nicht die Emanzipation des Menschen zum politisch mündigen und gestaltenden Bürger, der nur dem Gesetz untersteht, daß er sich selbst gegeben hat, vorangetrieben haben. Jede Ideologie strebt nach Herrschaft und ist damit klassisch rechts. Heute ist einer der idealtypischsten Repräsentanten dafür übrigens der Islam. Aber auch die Plutokratien der westlichen Welt sind klassisch rechts und ihre Ideologie der Globalisierung mit dem Ziel der NWO sogar eine neofeudale Herrschaftsordnung des Kapitals.

AP, 27. August 2018

* Lipset, Lazarsfeld, Barton, Linz (1954). The psychology of voting: An analysis of political behaviour, Handbook of social psychology, 2, 1124-1175.